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title: "Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit, Basis und Dimension"
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description: "Überblick über lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit sowie Basis und Dimension von Vektorräumen: Definitionen, zentrale Sätze, Korollare und anschauliche Beispiele."
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categories: [Mathematics, Linear Algebra]
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tags: [Vector, Vector Operations, Linear Combinations]
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math: true
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image: /assets/img/math-and-physics-cropped.webp
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## Prerequisites
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- [Vektoren und lineare Kombinationen](/posts/vectors-and-linear-combinations/)
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- [Vektorräume, Unterräume und Matrizen](/posts/vector-spaces-subspaces-and-matrices/)
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## Lineare Abhängigkeit und lineare Unabhängigkeit
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Für einen [Vektorraum](/posts/vector-spaces-subspaces-and-matrices/#vektorräume) $\mathbb{V}$ und einen [Unterraum](/posts/vector-spaces-subspaces-and-matrices/#unterräume) $\mathbb{W}$ wollen wir eine möglichst kleine endliche Teilmenge $S$ finden, die $\mathbb{W}$ [erzeugt](/posts/vectors-and-linear-combinations/#lineare-kombination-cmathbfv--dmathbfw).
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Sei $S = \\{\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \mathbf{u}_3, \mathbf{u}_4 \\}$ mit $\mathrm{span}(S) = \mathbb{W}$. Wie entscheidet man, ob es eine echte Teilmenge von $S$ gibt, die $\mathbb{W}$ ebenfalls erzeugt? Das ist gleichbedeutend mit der Frage, ob sich ein aus $S$ entnommener Vektor als [lineare Kombination](/posts/vectors-and-linear-combinations/#lineare-kombinationen-von-vektoren) der übrigen Vektoren schreiben lässt. Beispielsweise ist hierfür für $\mathbf{u}_4$ genau dann eine Darstellung durch die restlichen drei Vektoren möglich, wenn es Skalare $a_1, a_2, a_3$ gibt mit
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$$ \mathbf{u}_4 = a_1\mathbf{u}_1 + a_2\mathbf{u}_2 + a_3\mathbf{u}_3 $$
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22+
Da es jedoch lästig wäre, für jedes der vier Elemente $\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \mathbf{u}_3, \mathbf{u}_4$ jeweils ein lineares Gleichungssystem aufzustellen, ändern wir die Gleichung geringfügig:
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$$ a_1\mathbf{u}_1 + a_2\mathbf{u}_2 + a_3\mathbf{u}_3 + a_4\mathbf{u}_4 = \mathbf{0} $$
25+
26+
Ist ein Vektor aus $S$ eine lineare Kombination der anderen, so existiert bei der Darstellung des Nullvektors als lineare Kombination der Elemente aus $S$ eine Wahl von Koeffizienten $a_1, a_2, a_3, a_4$, von denen mindestens einer ungleich $0$ ist. Die Umkehrung gilt ebenso: Existiert eine solche nichttriviale Darstellung des Nullvektors, so ist ein Vektor aus $S$ eine lineare Kombination der übrigen.
27+
28+
Dies verallgemeinert man zur Definition von **linearer Abhängigkeit** und **linearer Unabhängigkeit**.
29+
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> **Definition**
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> Für eine Teilmenge $S$ eines Vektorraums $\mathbb{V}$ heißen $S$ und seine Vektoren **linear abhängig (linearly dependent)**, wenn es endlich viele paarweise verschiedene Vektoren $\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \dots, \mathbf{u}_n \in S$ und Skalare $a_1, a_2, \dots, a_n$, von denen mindestens einer nicht $0$ ist, gibt mit $a_1\mathbf{u}_1 + a_2\mathbf{u}_2 + \cdots + a_n\mathbf{u}_n = \mathbf{0}$. Andernfalls heißen sie **linear unabhängig (linearly independent)**.
32+
{: .prompt-info }
33+
34+
Für beliebige Vektoren $\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \dots, \mathbf{u}_n$ gilt: Wenn $a_1 = a_2 = \cdots = a_n = 0$, dann ist $a_1\mathbf{u}_1 + a_2\mathbf{u}_2 + \cdots + a_n\mathbf{u}_n = \mathbf{0}$. Dies heißt die **triviale Darstellung des Nullvektors (trivial representation of 0)**.
35+
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Für linear unabhängige Mengen gelten in jedem Vektorraum die folgenden drei Aussagen; insbesondere ist **Proposition 3** beim Testen der Unabhängigkeit einer endlichen Menge sehr nützlich.
37+
38+
> - **Proposition 1**: Die leere Menge ist linear unabhängig. Linear abhängig kann nur eine nichtleere Menge sein.
39+
> - **Proposition 2**: Eine Menge, die nur aus einem einzigen von $0$ verschiedenen Vektor besteht, ist linear unabhängig.
40+
> - **Proposition 3**: Eine Menge ist genau dann linear unabhängig, wenn die Darstellung von $\mathbf{0}$ als lineare Kombination der gegebenen Vektoren nur trivial ist.
41+
{: .prompt-info }
42+
43+
Wichtige Sätze:
44+
45+
> **Satz 1**
46+
> Sei $\mathbb{V}$ ein Vektorraum und $S_1 \subseteq S_2 \subseteq \mathbb{V}$. Ist $S_1$ linear abhängig, so ist es auch $S_2$.
47+
>
48+
> **Korollar 1-1**
49+
> Sei $\mathbb{V}$ ein Vektorraum und $S_1 \subseteq S_2 \subseteq \mathbb{V}$. Ist $S_2$ linear unabhängig, so ist es auch $S_1$.
50+
{: .prompt-info }
51+
52+
> **Satz 2**
53+
> Sei $\mathbb{V}$ ein Vektorraum und $S$ eine linear unabhängige Teilmenge. Für einen Vektor $\mathbf{v} \in \mathbb{V}$ mit $\mathbf{v} \notin S$ gilt: $S \cup \\{\mathbf{v}\\}$ ist genau dann linear abhängig, wenn $\mathbf{v} \in \mathrm{span}(S)$.
54+
>
55+
> Anders ausgedrückt: **Wenn keine echte Teilmenge von $S$ denselben Raum erzeugt wie $S$, dann ist $S$ linear unabhängig.**
56+
{: .prompt-info }
57+
58+
## Basis und Dimension
59+
60+
### Basis
61+
62+
Eine [linear unabhängige](#lineare-abhängigkeit-und-lineare-unabhängigkeit) Erzeugermenge $S$ von $\mathbb{W}$ hat die Besonderheit, dass jeder Vektor aus $\mathbb{W}$ sich notwendigerweise als lineare Kombination der Elemente von $S$ darstellen lässt und diese Darstellung eindeutig ist (**Satz 3**). Daher nennt man eine linear unabhängige Erzeugermenge eines Vektorraums eine **Basis (basis)**.
63+
64+
> **Definition der Basis**
65+
> Ist $\mathbb{V}$ ein Vektorraum und $\beta \subseteq \mathbb{V}$, so heißt $\beta$ eine **Basis (basis)** von $\mathbb{V}$, wenn $\beta$ linear unabhängig ist und $\mathbb{V}$ erzeugt. In diesem Fall sagt man: Die Vektoren in $\beta$ bilden eine Basis von $\mathbb{V}$.
66+
{: .prompt-info }
67+
68+
> Es gilt $\mathrm{span}(\emptyset) = \\{\mathbf{0}\\}$ und $\emptyset$ ist linear unabhängig. Daher ist $\emptyset$ eine Basis des Nullunterraums.
69+
{: .prompt-tip }
70+
71+
Insbesondere heißt die folgende spezielle Basis von $F^n$ die **Standardbasis (standard basis)** von $F^n$.
72+
73+
> **Definition der Standardbasis**
74+
> Für den Vektorraum $F^n$ betrachten wir die Vektoren
75+
>
76+
> $$ \mathbf{e}_1 = (1,0,0,\dots,0),\ \mathbf{e}_2 = (0,1,0,\dots,0),\ \dots, \mathbf{e}_n = (0,0,0,\dots,1) $$
77+
>
78+
> Dann ist $\\{\mathbf{e}_1, \mathbf{e}_2, \dots, \mathbf{e}_n \\}$ eine Basis von $F^n$; sie heißt die **Standardbasis (standard basis)** von $F^n$.
79+
{: .prompt-info }
80+
81+
> **Satz 3**
82+
> Sei $\mathbb{V}$ ein Vektorraum und seien $\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \dots, \mathbf{u}_n \in \mathbb{V}$ paarweise verschieden. Dann ist $\beta = \\{\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \dots, \mathbf{u}_n \\}$ genau dann eine Basis von $\mathbb{V}$, wenn sich jeder Vektor $\mathbf{v} \in \mathbb{V}$ eindeutig als lineare Kombination der Vektoren aus $\beta$ schreiben lässt. Das heißt: Es existiert genau ein Skalar-$n$-Tupel $(a_1, a_2, \dots, a_n)$ mit
83+
>
84+
> $$ \mathbf{v} = a_1\mathbf{u}_1 + a_2\mathbf{u}_2 + \cdots + a_n\mathbf{u}_n $$
85+
>
86+
{: .prompt-info }
87+
88+
Nach **Satz 3** gilt: Bilden $n$ verschiedene Vektoren $\mathbf{u}_1, \mathbf{u}_2, \dots, \mathbf{u}_n$ eine Basis des Vektorraums $\mathbb{V}$, so ist innerhalb dieses Raums zu gegebenem $\mathbf{v}$ das zugehörige Skalar-$n$-Tupel $(a_1, a_2, \dots, a_n)$ eindeutig bestimmt und umgekehrt. Wir werden dies später im Rahmen von **Invertierbarkeit** und **Isomorphismus** erneut zusammenfassen; in diesem Fall sind $\mathbb{V}$ und $F^n$ <u>wesentlich gleich</u>.
89+
90+
> **Satz 4**
91+
> Sei $S$ eine endliche Menge mit $\mathrm{span}(S) = \mathbb{V}$. Dann enthält $S$ eine Teilmenge, die eine Basis von $\mathbb{V}$ ist. Insbesondere hat $\mathbb{V}$ in diesem Fall eine endliche Basis.
92+
{: .prompt-info }
93+
94+
> Viele Vektorräume erfüllen **Satz 4**, aber nicht alle. <u>Eine Basis kann auch unendlich sein</u>.
95+
{: .prompt-tip }
96+
97+
### Dimension
98+
99+
> **Satz 5: Austauschsatz (replacement theorem)**
100+
> Sei $G$ eine Menge aus $n$ Vektoren mit $\mathrm{span}(G) = \mathbb{V}$. Ist $L \subseteq \mathbb{V}$ eine Teilmenge aus $m$ linear unabhängigen Vektoren, so gilt $m \leq n$. Außerdem existiert eine Menge $H \subseteq G$ mit $n-m$ Elementen, so dass $\mathrm{span}(L \cup H) = \mathbb{V}$.
101+
{: .prompt-info }
102+
103+
Daraus folgen zwei äußerst wichtige Korollare.
104+
105+
> **Korollar 5-1 zum Austauschsatz**
106+
> Enthält der Vektorraum $\mathbb{V}$ eine endliche Basis, so sind alle Basen von $\mathbb{V}$ endlich und bestehen aus gleich vielen Vektoren.
107+
{: .prompt-info }
108+
109+
Demnach ist die Anzahl der Vektoren in einer Basis von $\mathbb{V}$ eine unveränderliche, wesentliche Eigenschaft von $\mathbb{V}$; sie heißt **Dimension (dimension)**.
110+
111+
> **Definition der Dimension**
112+
> Ein Vektorraum heißt **endlichdimensional (finite dimension)**, wenn er eine endliche Basis besitzt; die Anzahl $n$ der Basiselemente heißt die **Dimension (dimension)** des gegebenen Vektorraums und wird mit $\dim(\mathbb{V})$ bezeichnet. Ein Vektorraum, der nicht endlichdimensional ist, heißt **unendlichdimensional (infinite dimension)**.
113+
{: .prompt-info }
114+
115+
> - $\dim(\\{\mathbf{0}\\}) = 0$
116+
> - $\dim(F^n) = n$
117+
> - $\dim(\mathcal{M}_{m \times n}(F)) = mn$
118+
{: .prompt-tip }
119+
120+
> Die Dimension eines Vektorraums hängt vom zugrunde liegenden Körper ab.
121+
> - Über dem komplexen Körper $\mathbb{C}$ hat der komplexe Vektorraum Dimension $1$, Basis $\\{1\\}$
122+
> - Über dem reellen Körper $\mathbb{R}$ hat derselbe Raum Dimension $2$, Basis $\\{1,i\\}$
123+
{: .prompt-tip }
124+
125+
In einem endlichdimensionalen Vektorraum $\mathbb{V}$ kann keine Teilmenge mit mehr als $\dim(\mathbb{V})$ Vektoren linear unabhängig sein.
126+
127+
> **Korollar 5-2 zum Austauschsatz**
128+
> Sei $\mathbb{V}$ ein Vektorraum der Dimension $n$.
129+
> 1. Jede endliche Erzeugermenge von $\mathbb{V}$ enthält mindestens $n$ Vektoren; eine Erzeugermenge aus genau $n$ Vektoren ist eine Basis von $\mathbb{V}$.
130+
> 2. Eine linear unabhängige Teilmenge von $\mathbb{V}$ mit genau $n$ Vektoren ist eine Basis von $\mathbb{V}$.
131+
3. Jede linear unabhängige Teilmenge $L \subseteq \mathbb{V}$ lässt sich zu einer Basis erweitern. Das heißt: Ist $L$ linear unabhängig, so existiert eine Basis $\beta \supseteq L$ von $\mathbb{V}$.
132+
{: .prompt-info }
133+
134+
### Dimension von Unterräumen
135+
136+
> **Satz 6**
137+
> Ist $\mathbb{V}$ endlichdimensional, so ist jeder Unterraum $\mathbb{W}$ von $\mathbb{V}$ endlichdimensional und es gilt $\dim(\mathbb{W}) \leq \dim(\mathbb{V})$. Insbesondere gilt aus $\dim(\mathbb{W}) = \dim(\mathbb{V}) \quad \Rightarrow \quad \mathbb{V} = \mathbb{W}.$
138+
>
139+
> **Korollar 6-1**
140+
> Zu einem Unterraum $\mathbb{W}$ eines endlichdimensionalen Vektorraums $\mathbb{V}$ lässt sich jede Basis von $\mathbb{W}$ zu einer Basis von $\mathbb{V}$ erweitern.
141+
{: .prompt-info }
142+
143+
Nach **Satz 6** kann die Dimension eines Unterraums von $\mathbb{R}^3$ die Werte $0,1,2,3$ annehmen.
144+
- 0-dimensional: der Nullunterraum $\\{\mathbf{0}\\}$
145+
- 1-dimensional: eine durch den Ursprung ($\mathbf{0}$) verlaufende Gerade
146+
- 2-dimensional: eine durch den Ursprung ($\mathbf{0}$) verlaufende Ebene
147+
- 3-dimensional: der gesamte euklidische 3D-Raum

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